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Arzneimittelversorgung: Problem mit Rabattverträgen

von pelikanapo

In der Diskussion um die Gründe und Ursachen der Lieferengpässe in der Arzneimittelversorgung fällt immer wieder das Wort „Rabattverträge“. Wir wollten von Teva Deutschland- und Österreich-Geschäftsführer Andreas Burghardt („Ratiopharm“) wissen, was das ist, warum die Rabattverträge für die Lieferproblematik zumindest zum Teil verantwortlich sind und was passieren muss, damit sich die Gesamtsituation bei der Medikamentenversorgung verbessert. 

Who is who?

Andreas Burkhardt, 46, ist Geschäftsführer von Teva Deutschland und Österreich. Teva ist ein global agierender Konzern, zu dem seit 2010 auch Deutschlands bekannteste Arzneimittelmarke Ratiopharm gehört. Der Deutschlandsitz von Teva ist in Ulm. Ein weiterer Produktionsstandort befindet sich in Blaubeuren/Weiler. In Deutschland beschäftigt Teva rund 2.900 Mitarbeitende. 

Herr Burghardt, im Zusammenhang mit den Lieferengpässen fällt immer wieder das Schlagwort „Rabattverträge“. Diese sollen eine der Ursachen für die zum Teil katastrophale Liefersituation sein. 

Erklären Sie unseren Lesern doch bitte, um was es sich bei diesen Rabattverträgen handelt.

Andreas Burghardt: Wenn die Krankenkassen einen Produzenten für ein bestimmtes Medikament suchen, schreiben sie einen Auftrag, auch Tender genannt, aus. Dafür können die Arzneimittelhersteller ein Angebot abgeben. Der Anbieter, der den günstigsten Preis – also den höchsten Rabatt – bietet, erhält den Zuschlag und schließt einen Rabattvertrag mit der Krankenkasse ab. Diese Verträge können mit einem oder mit mehreren Herstellern abgeschlossen werden. Das bedeutet, dass alle Versicherten dieser Krankenkasse in den Apotheken Produkte der Hersteller erhalten, mit denen ein Rabattvertrag besteht. Wird der Vertrag nur mit einem Hersteller abgeschlossen, ist der Versorgungs-Druck natürlich besonders hoch. 

Also kann es durchaus sein – oder es ist sogar die Regel –, dass je nach Krankenkasse Patienten unterschiedliche Medikamente für dieselbe Erkrankung bekommen? Oder dass ein Patient zum Beispiel in diesem Monat sein Medikament von einem anderen Hersteller erhält als im Vormonat. 

Einfach weil der Rabattvertrag mit Hersteller A ausgelaufen und ein neuer Vertrag mit Hersteller B abgeschlossen worden ist? 

Wenn ein Rezept vorgelegt wird, sind die Apotheken gesetzlich dazu verpflichtet, das Medikament abzugeben, für das ein Rabattvertrag besteht. Es gibt ein paar Ausnahmen von dieser Regelung, etwa bei Notfällen, wenn das Medikament nicht lieferbar ist. Auf jedem Rezept gibt es zudem ein Kästchen mit der sogenannten Aut-Idem-Regelung. Wenn dieses Kästchen angekreuzt ist, müssen die Apotheken genau das Präparat ausgeben, das auf der Verordnung steht.

Inwiefern sind denn nun die Rabattverträge schuld oder zumindest Mitschuld an der Lieferproblematik?

Der Generikamarkt ist staatlich sehr stark reguliert und die politische Vorgabe lautete jahrelang ‚Hauptsache billig‘. Die Rabattverträge sind eines von mehreren Instrumenten, um die Preise für Arzneimittel immer weiter zu senken. Bei den Generika ist mehr als jedes zweite Präparat an Festbetrag und Rabattverträge gebunden. Der Kostendruck auf die Hersteller ist also massiv. 

Unsere Produktions- und Einkaufskosten steigen permanent, aber die Rabattverträge lassen keine Preisanpassungen zu. Am Ende springen für die Hersteller ein paar Cent raus, in vielen Fällen ist die Produktion sogar ein Verlustgeschäft. Das ist wirtschaftlich für kein Unternehmen auf Dauer tragbar. In der Folge steigen Hersteller aus dem Markt aus, bis nur noch ein paar übrigbleiben. Diese müssen dann die gesamte Versorgung stemmen. Sie können sich vorstellen, wie schnell kleine Störungen in der Wertschöpfungskette oder ein plötzlicher Anstieg der Nachfrage dann zu Engpässen führen können. 

Diese Rabattverträge gibt es ja seit rund 20 Jahren. Daraus kann man schließen, dass die Beteiligten damit lange Zeit gut gefahren sind. 

Wieso funktioniert das System heute nicht mehr?

Das System ist überstrapaziert und kaputtgespart. Wenn nur der Preis zählt, auch auf Märkten mit sehr wenigen Anbietern, sind Engpässe vorprogrammiert. Das ließe sich ändern, wenn nicht nur ein Hersteller den Zuschlag für die Ausschreibung erhält und sichergestellt wird, dass verschiedene Wirkstoffquellen genutzt werden. Denn auch in diesem Bereich hat sich der Markt stark konzentriert, so dass es teilweise nur noch sehr wenige Lieferanten für einen Wirkstoff gibt. Der Preis darf nicht das einzige Kriterium sein, auch bestimmte Umweltauflagen oder Sozialstandards und die Produktion vor Ort sollten berücksichtigt werden. 

Aber es gibt doch auch etwas Gutes, oder nicht? 

Helfen die Rabattverträge nicht dabei, die Krankenkassenbeiträge der Versicherten und damit auch die Gesundheitskosten insgesamt in Grenzen zu halten?

Absolut: Der Ursprungsgedanke der Rabattverträge war, Versorgungssicherheit zu gewährleisten und das Gesundheitssystem zu entlasten. Generika leisten dazu einen enormen Beitrag. Allerdings bewirkt das Preissystem durch die Hauptsache-billig-Devise seit Jahren das genaue Gegenteil – die Versorgung ist instabil. Und das gilt nicht nur für Schmerzmittel, sondern auch für Krebsmedikamente und Antibiotika. 

Ist das System der Rabattverträge grundsätzlich gut und muss nur reformiert werden – und was sind die wichtigsten Stellschrauben? –, oder muss es gar komplett durch einen neuen Ansatz ersetzt werden? 

Es gibt ja auch Stimmen – etwa aus der Politik -, welche die gänzliche Abschaffung der Rabattverträge fordern…

Für mehr Versorgungssicherheit braucht es in erster Linie mehr Vielfalt im Markt. Unternehmen brauchen also langfristige Anreize, damit sie wieder in die Produktion einsteigen. Kurzfristige Maßnahmen greifen hier genauso wenig wie solche, die nur auf einzelne Aspekte abzielen. Deshalb muss das Preissystem insgesamt reformiert werden, nicht nur die Rabattverträge. Wir brauchen insgesamt neue Mechanismen, die dynamische Anpassungen zulassen, um rechtzeitig auf Inflation und Marktverengung reagieren zu können. Wird nur an einer Stellschraube gedreht, heben die anderen Preisbremsen die positiven Effekte gleich wieder auf. 

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