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„Fitness ist die Voraussetzung für ein glückliches Leben“

von pelikanapo

Der Frühling lockt uns alle nach draußen. Endlich können wir die dicken und warmen Wintersachen wieder wegpacken und T-Shirts und kurze Hosen hervorholen. Die Reifen der Fahrräder werden aufgepumpt und vielleicht auch neue Laufschuhe gekauft. Jetzt kann es losgehen mit dem Fitnessprogramm. Worauf es dabei ankommt und warum Sport ganzjährig wichtig ist für unsere Gesundheit und unser positives Lebensgefühl, das hat uns im Interview der Olympiasieger und Personal-Trainer Nils Schumann verraten. 

Herr Schumann, jetzt im Frühling und bei den milderen Temperaturen wollen viele Menschen wieder mehr für ihre Fitness tun.

Dabei stehen ihnen oft zwei Dinge im Wege.

Nils Schumann: Und zwar?

Zum einen der innere Schweinehund. Grundsätzlich will man ja etwas für seine Fitness tun, nur gerade jetzt hat man dazu keine Lust und Energie. Und zum anderen das Problem, wie man die Sporteinheiten in seinen ohnehin schon vollgepackten Alltag mit Arbeit, Haushalt und Familie integrieren soll.

Haben Sie ein paar gute Tipps für uns, wie man diese beiden Herausforderungen meistert?

Den inneren Schweinehund kennt jeder, auch Leistungssportler. In der Laufszene gibt es den Satz „Der erste Schritt ist immer der schwerste.“ Soll heißen: Wer sich erst einmal angezogen hat, vor die Tür tritt und losläuft, der wird nicht mehr umkehren, sondern seine Trainingseinheit absolvieren, egal wie lang und wie schnell.

Älteres Ehepaar joggt
©NDABCREATIVITY/stock.adobe.com

Zum zweiten Aspekt Ihrer Frage: Es ist richtig, der Alltag der meisten Menschen ist vollgepackt mit Pflichten und Dingen, die zu erledigen sind. Bei mir ist das nicht anders. Wir haben zwei Kinder, eine Firma, einen Hund, meine Frau ist beruflich sehr aktiv, man hat Freunde, Hobbies, also ganz, ganz viele Dinge, um die man sich kümmern muss und die einem wichtig sind, und in diesen Alltag dann auch noch regelmäßige und erfüllende sportliche Betätigungen zu integrieren, erscheint vielen schwierig, eventuell sogar als Belastung.

Freudensquell statt Fitnessqual

Wichtig ist an dieser Stelle: Fitness darf kein Stress sein, sondern die sportliche Betätigung soll vielmehr ein Quell der Freude sein. Am besten ist es, Fitness als Bestandteil einer täglichen Routine zu begreifen. Ähnlich wie Zähneputzen. Da denken wir doch auch gar nicht drüber nach, sondern wir tun es quasi automatisch, weil wir wissen, dass es für gesunde Zähne wichtig ist und wir auch im Alter noch „kraftvoll zubeißen“ können, wie ein alter Werbespruch lautete. Und jetzt kann man sich fragen: Warum ist uns dieser eine Teil des Körpers so wichtig – die Zähne –, und warum werden andere Teile des Körpers – die Muskulatur, das Herz-Kreislauf-System, die Atmung – so vernachlässigt? Es sollte möglich sein, dass der gesamte Körper mit einer täglichen Fitness-Routine fit gehalten wird. Und das muss nicht immer die völlig erschöpfende auslaugende Einheit sein, die mit einer langen Anfahrt zum Fitnessstudio oder mit großem Aufwand betrieben wird, sondern kleine und zeitlich auch kurze Sachen wie der halbstündige Spaziergang sein, das kleine Fitness-Workout, die Morgengymnastik und so weiter. All diese Dinge sollten für uns selbstverständlich werden. Und wenn wir das so verstehen und praktizieren, dann löst sich dieses Gefühl der zusätzlichen Belastung oder des Stresses – „Ich muss heute noch Sport treiben“ – in Luft auf.

Sie sind ja selbst Familienvater und Unternehmer.

Wie gelingt Ihnen dieser Spagat zwischen beruflichem und familiärem Engagement und sportlichen Aktivitäten?

Ich versuche, die sportliche Aktivität in den Alltag zu integrieren und mit den Notwendigkeiten zu verknüpfen. Beispiel: Ich bringe morgens meinen jüngsten Spross in die Schule, das ist ungefähr ein Kilometer, nehme unseren Hund mit und habe bereits die Laufkleidung an. Nachdem ich mich von meinem Sohn an der Schule verabschiedet habe, hänge ich direkt eine drei oder fünf oder acht Kilometer lange Laufrunde dran und habe so schon eine kleine Morgeneinheit absolviert und der Hund hatte auch schon seine Bewegung. Ein anderes Beispiel ist die Radfahrt zur Arbeit oder die sportliche Mittagspause.

Nils Schumann läuft durch Wald
©privat

Fällt es Ihnen denn immer leicht, sich sportlich zu betätigen?

Nein, natürlich nicht. Es ist natürlich immer viel schöner, bei Sonnenschein und in kurzer Hose laufen zu gehen als bei Schneematsch. Im November und Dezember fällt es auch mir schwerer, mich aufzuraffen. Aber es gibt ja auch Alternativen zum Outdoor-Sport, die gerade im Winter attraktiv sind, beispielsweise Radtraining auf dem Ergometer oder der Rolle oder Schwimmen im Hallenbad.

Muss Sport eigentlich immer anstrengend sein?

Nein, auf keinen Fall! Im Gegenteil! Wir haben so eine irrige Vorstellung, die aus dem Leistungssport kommt, dass nur dann ein Training gut und erfolgreich ist, wenn ich alles gegeben habe und danach völlig erschöpft bin. Das ist aber völlig falsch. Die meisten von uns betreiben ja Sport, um gesund und im Alltag leistungsfähig zu bleiben, Stress abzubauen. Sicher ist es schön, ab und zu mal an seine Reserven zu gehen und richtig aus der Puste zu kommen, wenn man beim Sprint alles gibt oder ein hartes Maximalkrafttraining betreibt. Aber der Hauptbestandteil des Trainings sollte im entspannten Bereich liegen.

Gesundheits-Plus durch lockeres Training

Wissenschaftliche Untersuchungen belegen, dass die größten gesundheitlichen Erfolge bei einem leichten, lockeren Training liegen, das circa zwei Stunden pro Woche umfasst. Also wenn die Motivation für die sportliche Betätigung darin liegt, dass man gesund bleibt, länger lebt, den Alltag besser gestaltet, besser aussieht, dann muss es nicht immer anstrengend sein, im Gegenteil. Die Anstrengung sollte die Ausnahme sein.

Zum Einstieg langsam aufbauen

Ergänzend dazu der Hinweis: Gerade für Einsteiger und Personen, denen es schwerfällt, Sport und Fitness in ihren Alltag zu integrieren, kann es einen großen Stress bedeuten, wenn sie in jeder Einheit immer ans Limit gehen müssten. Dann würde der Körper sagen: „Oh Mann, gleich werde ich wieder völlig erschöpft sein und kann danach zwei Stunden nicht mehr geradestehen oder habe die nächsten Tage einen schlimmen Muskelkater.“ Das wäre nicht gut. Denn dann ist die Hürde, überhaupt anzufangen, schon viel zu hoch. Gerade bei Einsteigern achte ich darauf, dass sie ganz langsam aufbauen. Viele Laufeinsteiger laufen viel zu schnell und überanstrengen sich, was häufig dazu führt, dass sie wieder die Lust verlieren, weil es einfach zu anstrengend ist oder weil sie sich verletzen. 

Ältere Menschen machen Dehnübungen
©LIGHTFIELD STUDIOS/stock.adobe.com

Was ist besser: Ausdauer- oder Krafttraining?

Beides! (lacht) Das Ausdauertraining als Herz-Kreislauf-Training ist gerade im höheren Alter etwas wichtiger. Das muss nicht unbedingt Laufen sein, das kann auch Radfahren, Schwimmen, Skilanglauf etc. sein. Da gibt es ja unendlich viele Möglichkeiten. Aber auch ein Kraft- oder Athletiktraining ist ganz wichtig – auch für die Ausdauersportler. Ich würde immer beides empfehlen, also Ausdauertraining und ergänzend dazu Krafttraining. Dazu braucht man auch gar nicht zusätzliche Gewichte, Hanteln etc., sondern das eigene Körpergewicht oder kleine Hilfsmittel wie ein Gummiband reichen schon aus. Oder denken Sie an die Klassiker wie den Liegestütz, den Klimmzug, den Situp oder den „Burpee“, den die Älteren unter uns noch als Hock-Strecksprung kennen.

Wie viel Sport in der Woche sollte es denn sein?

Am besten täglich! Optimal ist es, wenn Sport ein selbstverständlicher Bestandteil unseres täglichen Lebens ist. Das heißt aber nicht zwangsläufig, dass ich mich umziehen und zum Fitnessstudio fahren muss, sondern das kann, wie vorhin schon gesagt, auch der Spaziergang mit dem Hund sein, vielleicht macht man auch mal einen Powerwalk daraus, oder man bringt die Kinder zur Schule und verbindet das mit dem Lauftraining. Da gibt es ja ganz viele Möglichkeiten. Wenn das nicht möglich sein sollte, dann sollten es zwei bis drei Einheiten pro Woche sein – ein Dauerlauf, ein Krafttraining, ein Schwimmtraining, eine Radtour. Aber auch zehn Sonnengrüße aus dem Yoga am Morgen sind prima.

Wie hilft Sport beim Abnehmen?

Abnehmen ohne Sport ist möglich. Gerade am Anfang spielt eine Ernährungsreduktion sogar die dominierende Rolle. Wenn man parallel zur Ernährungsreduktion Sport betreibt, kann es sogar passieren, dass man zunimmt. Das liegt an der neu hinzugewonnenen Muskulatur ein. Ein Muskel wiegt nun einmal relativ viel. Aber diese Muskulatur hat auch den Effekt, dass wir insgesamt im Ruhezustand mehr Kalorien verbrauchen, dass also unser sogenannter Grundumsatz steigt. Längerfristig kann man natürlich durch eine Ernährungsumstellung zusammen mit Sport mehr abnehmen als nur durch die Ernährungsumstellung allein. Allgemein lässt sich sagen, dass je länger die Gewichtsreduktionsphase dauert, desto größer die Rolle, die der Sport dabei spielt.

Dem Spiegelbild vertrauen

Ich bin übrigens kein Fan davon, beim Abnehmen nur auf die Kilogrammzahl auf der Waage zu schauen. Viel wichtiger ist das, was einem das eigene Spiegelbild sagt. Jeder sollte sich ab und zu nackt vor den Spiegel stellen und dann ehrlich die Frage beantworten, ob man sich so gefällt oder ob es Problemzonen gibt, an denen man arbeiten möchte.

Wie kann Sport Spaß machen?

Gute Frage. Die wichtigste Antwort: Nicht überanstrengen! Vielen Menschen macht die Bewegung in der freien Natur Spaß, das Erleben des eigenen Körpers, die Vögel, die zwitschern, das Eichhörnchen, das den Weg kreuzt, das Plätschern des Baches und jetzt im Frühling natürlich das Erwachen der Natur. Man muss aber auch ehrlich gestehen, dass Sport nicht immer Spaß machen muss. Wir werden nicht immer den schönsten Moment des Tages beim Sport erleben. Oft erleben wir den Spaß auch erst nach dem Sport, unter der Dusche, indem wir spüren, wie gut sich das anfühlt, wie wir die angenehme Erschöpfung erleben, wie wir gut schlafen können, wie wir ausgeglichener sind. Man braucht oft auch erst eine gewisse Routine, um beim Sport Spaß und Freude zu empfinden. Und man kann sich natürlich auch Sportarten suchen, die einem sehr viel Spaß machen. Ich selbst spiele zum Beispiel einmal in der Woche in einer Altherrenmannschaft Fußball und das macht mir immer sehr viel Spaß.

Ältere Frau macht Yogaübung
©Rido/stock.adobe.com

Ihre Lieblingsübungen für Zuhause?

Ich habe bei mir Zuhause eine Klimmzugstange angebracht, an die meine Kinder und ich uns am Tag immer mal wieder dranhängen und ein paar Klimmzüge machen. Was am besten für alle funktioniert, ist glaube ich eine Übungsabfolge aus dem Yoga, und zwar der Sonnengruß (Videos dazu auf Youtube, einfach „Sonnengruß“ eingeben – Anm. d. Redaktion). Den gibt es in verschiedenen Varianten, in der einfachsten Variante dauert er vielleicht 60 Sekunden. Ein optimaler Start in den Tag ist es, vielleicht sogar noch im Schlafanzug, erst einmal zehn Sonnengrüße zu machen. Das ist auch meine Lieblingsübung. Die anderen habe ich schon genannt: Liegestütze, Klappmesser und Burpees oder Kniebeugen. 

Sie haben ein Buch zu diesem Thema geschrieben. Es heißt „Lebenstempo“.

Was ist mit dem Ausdruck „Lebenstempo“ gemeint?

Der Untertitel zu meinem Buch heißt ja „In Alltag und Sport den eigenen Rhythmus finden“. Und um genau das geht es. Denn „fit“ heißt „passend“, nicht perfekt. Wir bekommen von der Fitnessindustrie ja manchmal vorgemacht, dass wir alle ein Sixpack haben und einen Marathon laufen müssen und so weiter. Das sind sicherlich Dinge, die erstrebenswert und für junge Menschen auch erreichbar sind, aber für den Normalbürger, der ein Leben führt, bei dem es nicht darum geht, in irgendeiner Rangliste ganz oben zu stehen oder bei dem es nicht darum geht, einen Körperfettanteil von unter zehn Prozent zu haben, ist mit „Fitness“ gemeint, dass man seinen Alltag gut bewältigen kann, dass man gesund ist, dass man allgemein leistungsfähig ist.

Zu Ihrem Buch habe ich folgenden Kommentar gelesen: „In seinem ersten Buch Lebenstempo zeigt der Sportstar und heutige Personal Trainer den richtigen Weg, wie wir zu einer persönlichen Fitness finden, die uns tatsächlich leistungsfähiger, entspannter und glücklicher macht.“

Was heißt eigentlich Fitness und ist sie eine notwendige Voraussetzung für ein glückliches Leben?

Ja, ich glaube, dass wir ohne unsere persönliche Fitness nicht das glückliche Leben führen können, was wir führen könnten. Es ist zwar so, dass wir heute auch ohne Sport ziemlich alt werden können – wir haben eine tolle, leistungsfähige Medizin, Medikamente, Geräte, die uns am Leben erhalten etc. Die Frage ist nur, mit welcher Qualität, mit welcher Lebensqualität? Im Rollstuhl sitzen mit Sauerstoffversorgung durch die Nase, mit 20 Pillen täglich gegen Bluthochdruck und Diabetes etc. – das stelle ich mir nicht unter einem glücklichen Leben vor. Die persönliche Fitness ermöglicht uns nicht nur unseren Alltag besser zu meistern, sondern beschert uns ja auch besondere Erlebnisse.

Ohne Fitness kein glückliches Leben

Natürlich ist alt werden damit verbunden, dass das körperliche Leistungsvermögen zurückgeht, aber man sieht es immer, dass selbst über 80-Jährige fit, gesund und leistungsfähig sein können. Und das ist für mich eine notwendige Voraussetzung für ein glückliches Leben.

Älteres Ehepaar joggt lachend
©lordn/stock.adobe.com

Herr Schumann, Sie waren in Ihrer Jugend Leistungssportler und sogar Olympiasieger über 800 Meter. In Ihrem Buch schreiben Sie, dass Leistungssport mit Gesundheit nichts zu tun hat, sondern sogar gesundheitsgefährdend ist. Was sagen Sie jemandem, der erst im fortgeschrittenen Alter oberhalb der Lebensmitte – also ab 40, 50 Jahre – den Leistungssport für sich entdeckt und noch mal so richtig Gas geben will? Es gibt ja viele ambitionierte Seniorensportler, die hart trainieren und sogar noch an Meisterschaften teilnehmen.

Wie stehen Sie dazu?

Das sehe ich sehr skeptisch. Für mich sind Seniorensport und Leistungssport zwei unterschiedliche Paar Schuhe. Das Problem sehe ich darin, dass wer wirklich ambitioniert Leistungssport und damit Wettkampfsport betreibt, so viel und auch so hart trainieren muss, dass dies die positiven Effekte sportlicher Betätigung schon wieder zunichtemacht. Ich habe nichts gegen den Wettkampf, im Gegenteil, aber ich sehe ihn im sportlichen Bereich doch eher in der Jugend.

Aktiv mit Augenzwinkern

Wenn jemand trotz allem auch im höheren Alter noch Wettkampfsport betreiben will, dann doch bitte immer mit einem Augenzwinkern und einem Lächeln auf den Lippen. Dieses Verbissene, das manche Seniorensportler an den Tag legen, finde ich nicht gut. Und ich habe absolut kein Verständnis für ältere Sportler, die trotz Verletzung – vielleicht dann sogar noch mit Schmerzmitteln – und gesundheitlichen Risiken Sport betreiben, um irgendeine Seniorenklasse für sich zu entscheiden. Kurzum: Der Leistungssport und der Seniorensport sind zwei Dinge, die nur begrenzt miteinander funktionieren.

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